Freitag, April 26

Dendrochronologie – auf’s Jahr genau!

von Simon Schöpf
Lesedauer: ca. 5-6 min.

Was haben die antiken Römer, Vulkanausbrüche, Dachstühle und das Klima gemeinsam? Sie sind alle Aspekte des Forschungsgebiets von Kurt Nicolussi, einem der wenigen Dendrochronologen in Tirol.

Dendrochronologie ist die wissenschaftliche Methode der Jahrringanalyse von Bäumen. Nicolussi und sein Team am Institut für Geographie an der Uni Innsbruck untersuchen dabei die Abfolge der Jahrringe in heimischen Baumarten, wie z.B. Fichte, Tanne, Lärche oder Zirbe und können damit einiges herausfinden. Sie ist die präziseste naturwissenschaftliche Datierungsmethode, mit der Bäume auf ein Kalenderjahr genau datiert werden können. Der Untersuchungszeitraum deckt dabei im Alpenraum die letzten gut 11.000 Jahre ab!

Und wie funktioniert das genau?

Die Jahrringe eines Baumes können „gelesen“ werden wie der Strichcode auf einer Verpackung. Werden zwei (oder mehrere) Bäume gefunden, welche den gleichen „Code“ haben, können diese prinzipiell untereinander synchronisiert, also auf’s Jahr genau abgeglichen werden. Diese individuellen Jahrringabfolgen entstehen beim Wachsen des Baumes und sind von der Umwelt, dem Klima und dem Standort abhängig. Im Alpenraum ist das ein wenig komplizierter (oder spannender, je nachdem wie man es sieht). Es gibt nicht nur eine Ebene – durch die Gebirge gibt es verschiedene ökologische Ansprüche und das wiederum führt zu unterschiedlich ausgebildeten Jahrringabfolgen in verschiedenen Höhenlagen. Entscheidend ist nicht die absolute Breite der Jahrringe, sondern die Variabilität (Schwankungsmuster) der Jahrringserien verschiedener Bäume werden untereinander verglichen.

Es wird aber nicht nur die Jahrringbreite analysiert. Weitere Parameter sind die Holzdichte, stabile Isotope im Holz und auch die Radiokarbonmethode (14 C-Datierung). Für die 14 C-Methode liefert die Dendrochronologie wiederum wichtige Daten, denn mit Hilfe der Dendro-Daten wird die Kalibrierkurve für die Radiokarbon-Datierung immer weiter verfeinert.

Eingesetzt wird die Dendrochronologie bereits seit ca. 100 Jahren und sie ist somit die älteste naturwissenschaftliche Datierungsmethode. Damals wurden Jahrringe jedoch ohne genaue Messung klassifiziert. Heute werden die Jahrringbreiten der untersuchten Holzproben mit Binokular, Messtisch und PC festgehalten und weiterverarbeitet. Auch werden Messungen an digitalen Bildern bzw. Röntgenbildanalysen an Hölzern durchgeführt und es gibt bereits Weiterentwicklungen, wobei einzelne Zellabfolgen oder die Zellwandstärke untersucht wird.

Klimawandel und andere Faktoren

Die Temperatur hat einen starken Einfluss auf das Wachstum von Bäumen. Das zeigt sich besonders in verschiedenen Höhenlagen, wie beispielsweise im Tal bzw. auf 2000 Meter Höhe. Im Tal bremst eine hohe Temperatur eher das Wachstum eines Baumes, auf dem Berg jedoch führt dies zu breiteren
Jahrringen. Hier macht sich wiederum der fortschreitende Klimawandel bemerkbar, da Bäume in Höhenlagen zwar besser wachsen, in den Tieflagen hingegen bereits deutlich leiden. Dazu kommen aber noch andere Faktoren. Einzelne Bäume haben ihre individuellen Geschichten. In Tirol wurden Fichten die Äste zur Streugewinnung abgeschlagen, der Baum hat das gemerkt und das Ereignis durch einen fehlenden oder nur minimalen Zuwachs in den Folgejahren dokumentiert. Oder ein Baum wurde in einem Jahr von Insekten befallen und weist dadurch schmälere Jahrringe auf als gleich alte Bäume, welche auch beprobt wurden.

Baugeschichte

Mit Hilfe der Dendrochronologie wird nicht nur die Umwelt- und Klimaentwicklung untersucht, sondern auch die Nutzungsgeschichte im Alpenraum. Dazu gehören auch die Baugeschichte sowie Archäologie und hier kommen die antiken Römer ins Spiel. Im Lermooser Becken bauten die Römer die Via Claudia Augusta geradewegs durch ein Moor und fundierten die Straße mit einem Holzrost. Dafür rodeten sie die umliegenden Bäume. Dies schuf wiederum mehr Platz und Licht für junge Bäume, die nicht für den Straßenbau verwendet wurden. Durch die besseren Bedingungen wuchsen diese schneller. Für spätere Reparaturarbeiten wurden sie dann diese verwendet – die Erkenntnisse wurden fast alle mit Hilfe der Jahrringanalyse gewonnen!

Die Dendrochronologie wird auch zur Datierung genutzt, zum Beispiel von, Dachstühlen historischer Gebäude. So kann in der Regel das Kalenderjahr der Schlägerung der Bauhölzer bestimmt und in weiterer Folge auf das Datum der Erbauung eines Gebäudes abgeleitet werden. Aber nicht nur das: Die Forscher*innen fanden heraus, dass in ländlichen Gebieten Tirols das Holz für Bauwerke im Mittelalter bzw. in der Neuzeit geschlägert und meist innerhalb von ein bis zwei Jahren verbaut wurde. In Städten wie Innsbruck bzw. Hall in Tirol gibt es aber eine stärkere Streuung der Fälldaten von Bauhölzern in einem Objekt, was auf Sammelstellen für Baumaterial hinweist – sozusagen ein historischer „Baumarkt“. Diese Erkenntnisse sind dann wiederum für Historikerinnen und Archäolog*innen interessant.

Präzision und Überregionalität

Für Kurt Nicolussi ist die Präzision der Methode besonders spannend. Auch das Zusammenspiel von Umweltfaktoren und überregionalen Korrelationen sind für ihn von besonderem Interesse. Warum kam es zu einem Gletschervorstoß? Welche Auswirkungen hatte ein Vulkanausbruch in Nordamerika, Europa und Sibirien? Das und so viel mehr Informationen stecken in einem einfachen Baum.

Falls ihr mehr über Dendrochronologie erfahren möchtet findet ihr unter folgenden Links noch mehr
Infos:
https://www.youtube.com/watch?v=gUF69wumdko&feature=emb_title
https://www.uibk.ac.at/geographie/dendro/
https://www.researchgate.net/profile/Kurt_Nicolussi

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