Mittwoch, April 24

Von der Quantenphysik zum Wissenschaftsjournalismus – Interview mit Florian Aigner

von Simon Schöpf
Lesezeit: ca. 5 Minuten

Ausnahmsweise bietet dieser Beitrag keinen Einblick in die aktuelle Forschung der Uni Innsbruck, sondern ein Interview mit Florian Aigner, der sich als Wissenschaftsjournalist und Wissenschaftsvermittler einen Namen gemacht hat. Er veröffentlichte die zwei erfolgreichen Bücher „Der Zufall, das Universum und du“ (2018) und „Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl“ (2020) sowie zahlreiche Publikationen in Zeitungen, Zeitschriften, Blogs und vermittelt sein Wissen im Radio.

Florian Aigner nahm einen eher ungewöhnlichen Weg für einen Quantenphysiker und begann nach seiner Dissertation an der Technischen Universität Wien seine Karriere als Wissenschaftspublizist. Er hatte nicht den Drang, Karrierewissenschaftler zu werden und sich in eine Nische zu stürzen, sondern wollte sich breit aufstellen. Hierbei ist der Wissenschaftsjournalismus naheliegend: Einerseits ein fundiertes „Basiswissen“ im wissenschaftlichen Bereich, andererseits die Möglichkeit, in viele verschiedene Bereiche der Wissenschaft einzutauchen und darüber zu schreiben.

Zu seinem Glück suchte das damalige Büro für Öffentlichkeitsarbeit der TU Wien (mittlerweile PR und Marketing) jemanden, um über wissenschaftliche Ergebnisse der Uni zu schreiben – nach wie vor eines der Standbeine von Aigner.

Die Grundidee für sein erfolgreiches Buch „Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl“ war, zu erklären was Wissenschaft ist, wie sie funktioniert und warum ihr vertraut werden kann. Ihm war dabei klar, dass dies allein in einem Buch nicht möglich wäre. Jedoch sammelte sich über die letzten Jahre ein „riesiger Haufen“ an Gedanken an und die für ihn Wichtigsten bündelte er in diesem Buch. Beginnend mit der „verlässlichsten“ Wissenschaft, der Mathematik, zog er einen roten Faden durch die Schlaglichter der (Natur-)Wissenschaftsgeschichte, um diese Verlässlichkeit aufzuzeigen. Aigner verweist dabei auch auf die Irrtümer und Betrügereien, welche es in der Wissenschaft gab und gibt. Zusammenfassend hält er fest:

„Wissenschaft baut ein Gedankengebäude auf, das verlässlich ist, wenn man sich dabei an bestimmte Regeln hält.“

Wir unterhielten uns über das große Thema „Fake News“ und was dagegen getan werden kann. Florian Aigners Strategie sieht folgendermaßen aus:

Als Erstes wird ein Faktencheck gemacht– sind die Behauptungen/Nachrichten/Aussagen überhaupt „fake“?

„Verlässlich ist eine Aussage dann, wenn sie vernetzt ist mit vielen anderen Aussagen, die wir bereits als gültig betrachten. Das ist die erste Regel.“

Dieser Schritt ist noch verhältnismäßig einfach, denn alles weitere ist situationsabhängig. Vielfach liegt es nur am mangelnden Wissen. Manche Leute wissen es nicht besser und verlassen sich auf WhatsApp-Gruppennachrichten, oder lesen Zeitungen, welche nicht besonders vertrauenswürdig sind.

„Das ist nicht böse gemeint, das ist auch nicht Dummheit, sondern das passiert. In so einem Fall muss man einfach Informationen anbieten und ich glaube, dass da schon auch Leute aus der Wissenschaft gefragt sind, diese Informationen weiterzugeben.“

Wissenschaftler*innen, besonders jene, die von öffentlichen Geldern bezahlt werden, sind hierbei gefragt. Sie sollten sich der Öffentlichkeit stellen und Sachverhalte, die für sie vermutlich vollkommen banal sind, allgemein verständlich erklären. Aigner erwähnt hierbei lobend den deutschen Virologen Christian Drosten, der mit seinen öffentlichen Auftritten und einem Podcast einer breiten Öffentlichkeit komplizierte Virologie näherbrachte – mit Erfolg. Der Schlüssel zur erfolgreichen Wissenschaftskommunikation ist die Vereinfachung. Zwar ist dies ein Graubereich zwischen der „Wahrheit“ und etwas „Falschem“, aber wir sollten den Mut haben, zu vereinfachen und Spitzfindigkeiten hintenanstellen, meint Aigner.

Wichtig für Wissenschaftsjournalist*innen ist mittlerweile die Nützlichkeit ihrer Informationen. Spätestens durch die Sozialen Netzwerke müssen Journalist*innen „sexy News“ produzieren und Kund*innen konsumieren bzw. bedienen sich an diesen. Mittlerweile ist es notwendig geworden einen „Pitch“ zu machen, den Lesenden muss gezeigt werden, warum gerade dieser Text einen Mehrwert für sie hat.

„Ich muss den Konsument*innen erklären, warum ich ihre Zeit wert bin, denn die Zeit ist mittlerweile eine knappe Ressource geworden, um die ein Kampf tobt.“

Des Weiteren geht es auch um Schnelligkeit: Interesse an einem Artikel/Video/Bild muss sofort geweckt werden, sonst wird einfach weitergescrollt und egal wie gut (oder schlecht) der Beitrag war, er verschwindet in den Weiten des Internets.

Leider gibt es auch die Möglichkeit des totalen Widerstands im Zusammenhang mit Fake News – alles ist Blödsinn und eine Verschwörung. Hierzu meint Aigner, wenn keine Basis für eine Diskussion vorhanden ist, dann kann mit gutem Gewissen einfach nicht diskutiert werden.

Florian Aigner mischt sich aber nicht in jede Diskussion ein:

„Es ist nicht so, dass ich jetzt durch die Straßen gehe und sage: Aha! ich habe hier etwas gehört, was faktisch falsch ist. Der Physiker kommt zur Rettung und ich erkläre euch jetzt die Welt! Nein, das ist ja ein bisschen aufdringlich und auch unfreundlich, das ist nicht mein Stil.“

Er stellt dabei auch klar, dass jede*r von uns auf Fake News hereinfallen kann, manche sind zwar vorsichtiger im Umgang, komplett gefeit ist aber niemand.

Abschließend sprachen wir noch darüber, wie das Interesse an den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gesteigert werden könnte. Florian Aigner fiel daraufhin eine Anekdote aus seiner Schulzeit ein: Als am Anfang des Schuljahres die Bücher ausgegeben wurden und er diese durchblätterte, war er sogleich vom Deutschbuch fasziniert und las es am ersten Wochenende durch. Interessante Geschichten, verständlicher Aufbau, nette Bilder – ein ansprechendes Buch, das sein Interesse geweckt hatte. Auch der Atlas hatte es ihm angetan, insbesondere das Sonnensystem und dessen maßstabsgetreue Darstellung. Aber:

„Gibt es jemals Schüler*innen, die auf die Idee kämen, das Chemie- oder das Physikbuch übers Wochenende mal auszulesen? Selbstverständlich nicht. Ich muss mir ja nur anschauen, wie diese Bücher ausschauen. Das ist überhaupt nicht ansprechend.“

Das heißt, dass Schulbücher eine Möglichkeit wären, das Interesse an den MINT-Fächern zu steigern und Florian Aigner überlegt, ob er dieses Projekt in Zukunft angeht – ich würde seine Schulbücher auf jeden Fall kaufen.

Website von Florian Aigner:
http://www.florianaigner.at

Instagram:
https://www.instagram.com/aignerscience/

Twitter-Account:


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert