Donnerstag, März 28

Von den Burgen Tirols zum Todesmarsch der Kosaken

von Angelina Rainer

Fragt man den Mittelalter- und Neuzeitarchäologen Harald Stadler, ob seine Forschung genauso spannend ist wie die von Indiana Jones, kann er stolz antworten: Ist sie, wenn nicht sogar spannender. 

Seine Forschung deckt ein großes zeitliches Spektrum ab. Sie reicht vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, also fallen auch die zwei Weltkriege in sein Interessensgebiet. Was oft gar nicht so einfach zu stemmen ist. Oft wird man als Archäologe vor Herausforderungen gestellt, für die man Lösungen finden muss. Da Stadlers Forschung den Fokus sehr auf die Weltkriege legt, muss man hier viel mehr Gesetze beachten und man wird belächelt, da viele diese Zeit als zu jung erachten. Jedoch gilt es auch hier, die Geschichte zu bewahren, da sonst Konzentrationslager, Flugzeuge aus Gletschern, Nachweise von Todesmärschen oder Massenfunde verschwinden und in Vergessenheit geraten würden. 

Damals vor 20 Jahren, mit der Hilfe von Konrad Spindler (damals Leiter des Instituts für Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie in Innsbruck), schaffte es Stadler, diesen Forschungszweig für zukünftige Archäologen zu etablieren und auszubauen. Mithilfe der Archäologie konnte man die Zeitzeugen-Gespräche mit einer zweiten Quellengruppe beleuchten und mehr Subjektivität in die Objektivität gebracht werden. Manche Aussagen konnten nun gefestigt oder anderes interpretiert werden. 

Dies zeigt, wie wichtig es ist, mit anderen Institutionen zusammen zu arbeiten. Archäologie ist ein sehr interdisziplinäres Fach und man kann viel von anderen Wissenschaften lernen. Gerade im Bereich Mittelalter könne man eng mit Historikern zusammenarbeiten, aber auch in anderen Gebieten könne man auf die Dendrochronologie, Archäozoologie, Archäobotanik oder ähnliche wissenschaftliche Disziplinen zurückgreifen. Es komme auch immer auf den individuellen Fund an.

Apropos Fund, die meistgestellte Frage an einen Archäologen ist wohl, was dessen spannendster Fund sei. Im Fall von Stadler ist es der Fund eines lebensgroßen Marmorkopfes einer Statue des Weingottes Bachus im Dom in Trient. Leider machte dieser Fund keine Schlagzeilen, da genau in diesem Jahr Ötzi Konkurrenz machte. Ein weiterer besonderer Fund stammte aus einem kleinen Dorf in Osttirol namens Sankt Justina, dort hätten er und sein Team ein schönes Gold Collier mit roten Granaten bei einer frühmittelalterlichen Kirche gefunden. Zwar ist ein Goldfund etwas Besonderes und Schönes, aber es mache sehr oft das Team verrückt und sei generell Fluch und Segen zugleich. Es wurde auf ein Alter von 400 Jahren datiert und habe einen wichtigen Beitrag geleistet, um ein weiteres Stück der Geschichte von Osttirol hinzuzufügen. 

Wie sieht aber nun der Alltag eines Archäologen aus?

„Früher als ich studiert habe, war alles etwas einfacher“, so Stadler. Angefangen beim Studienplan, den man sich damals leichter zusammenstellen konnte, bishin zu Behördengängen. Wenn man heutzutage etwas ausgraben will, muss man zunächst die Genehmigung vom Bundesdenkmalamt einholen. Diese sind mit strikteren Auflagen verbunden. Wie Archäologen zu Fundplätzen kommen, kann mehrere Gründe haben. Einmal stoßen Baggerarbeiten auf Befunde, die dann von Grabungsfirmen notgegraben werden, wie es im Fachjargon heißt. Es gibt auch Sondengänger, die Funde an der Universität vorbeibringen, wobei dies oft nicht ganz rechtens ist und es hier eine gewisse Grauzone gibt. Dann gibt es auch die Lehr- und Forschungsgrabungen, wo man über mehrere Jahre am gleichen Ort gräbt, um somit in Ruhe die Funde und Befunde sichert. Es gibt also viele Möglichkeiten, wie Archäologen an ihre Fundplätze kommen. 

Das persönliche Interessensgebiet liegt bei Stadler bei den Kosaken aus Osttirol. Hierfür bereite er gerade alles für seine Pension vor, um diese Gruppe aus der Steppe zwischen Russland, Ukraine und Polen noch weiter erforschen zu können. Er sammelt Funde von Sondengängern aus Osttirol, Publikationen und führt Zeitzeugen-Gespräche. Ein weiterer wichtiger Teil, der hierfür genutzt werden könne, sei die sogenannte Gasthaus- oder Wirtshaus- Archäologie, wo man sich mit Anwohnern zusammensetzt und so einiges über Funde erfährt. Zudem habe er bereits drei Ausstellungen analog und eine digital zu diesem Thema kuratiert. Sein Interesse dafür stamme aus einer Begebung in der Kindheit bei einem Fußballspiel. Dort saß ein Mann mit beigem Anzug und silbernen Zähnen hinter ihm. Jahre später stellte sich heraus, dass dieser Mann der Obmann des Kosaken-Vereins in Lienz gewesen sei. Das nächste Ereignis, welches Stadlers Forschung festigen sollte, war der Fund eines Flugzeuges aus dem Zweiten Weltkrieg in einem Gletscher. Nach diesem Fund war für ihn klar, er werde sich diesem Zweig der Konfliktarchäologie widmen. 

Wer sind aber nun die Kosaken?

Die Kosaken sind eine Gruppe von Menschen, die vor allem aus der Region des Dnepr, der Don- und Uralgebiete stammen. Man muss aber nicht zwangsläufig aus diesem Gebiet kommen oder Kosaken-Eltern haben, um Kosake zu sein. Man kann auch von ihnen zu einem ernannt werden. Ein Bild, welches man von ihnen im Kopf hat, sind wilde Reiter aus der Steppe, was auch auf einige zugetroffen hat. So spielte das Pferd eine wichtige Rolle. Die Kosaken haben sich in diesem Steppengebiet abgesetzt und gründeten ihren eigenen Staat unter der Führung von Het- oder Atamanen. Einige von ihnen waren auch Flusspiraten und befuhren mit ihren Schiffen, den Tschaika, Flüsse wie die Dnepr und Don.

Eine Bombarde ist eine Kanone aus dem Spätmittelalter und diese wurde in Zusammenarbeit mit Südtirolern und Bayern nachgebaut.  

Ein anderes wichtiges Projekt während seiner Zeit als Professor sind seine Student*innen. Da er selbst jahrelang als freier Archäologe gearbeitet hat, weiß er, wie schwer oft ist, in diesem Beruf Fuß zu fassen. Nur wer das innere Feuer habe, die Passion, ein Orchideenfach auszuüben, werde es auch weit bringen. Dies ist aber nur ein Teil, den ein Archäologe mitbringen muss. Auch Ausdauer ist gefragt, das ständige Arbeiten mit Medien und der Öffentlichkeit ist genauso wichtig, um zu zeigen, dass Archäologie ein Teilaspekt der Gesellschaft ist und oftmals zu einem besseren Verständnis von Prozessen oder anderen historischen Ereignissen führt. Man sollte auch das sogenannte „Window of opportunity“ nutzen und Chancen ergreifen, wenn sie einem geboten werden. Im Falle von Stadler war neben vielen anderen zuletzt auch der Nachbau und Scharfschuss mit einer Bombarde des 15. Jhs., welche auch als ORF-Beitrag ausgestrahlt wurde.

Ein Spruch prägte und prägt Herrn Stadler zu dem ganz besonders. Dieser stammt von Konfuzius und lautet: „Wähle einen Beruf, den Du liebst und Du musst keinen einzigen Tag mehr arbeiten“. Dieses Zitat passt sehr gut, da die Archäologie sehr viel Abwechslung bietet und Zeiten, die uns noch so nah erscheinen, in einem ganz neuen Licht präsentiert.

Wie gewohnt gibt es für alle Interessierten wieder Links, um sich die Ausstellung zu den Kosaken, die Dokumentation „Der Todesmarsch der Kosaken“ oder die Projekte von Stadler anzusehen und sich weiter zu informieren.

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