Donnerstag, April 18

No Risk, no Fun?!

von Sarah Huemer

Würdest du einen vertikalen Granitfelsen ohne jegliche Sicherung hinaufklettern? Mit einem 2-Meter-Surfbrett eine 30-Meter-Welle reiten? Dich im freien Fall und einzig mit einem Fallschirmrucksack ausgestattet in die Tiefen einer Schlucht stürzen? 


Von den einen werden sie als waghalsige Spinner abgetan, von anderen als wahre Helden gefeiert: Risikosportler*innen. Wir haben mit Anika Frühauf vom Institut für Sportwissenschaft über ihre Forschung und insbesondere den Reiz am Risikosport gesprochen. 

Obwohl es bis dato noch keine klare Einigung über die Trennlinie zwischen normalem Sport, Extremsport, Abenteuersport und Risikosport gibt, so ist eines gewiss: Risikosport fällt in jene Kategorie von Sport, bei der das objektive Risiko deutlich erhöht ist und die Gefahr einer schweren Verletzung oder gar des Todes besteht. Zu den bekanntesten Sportarten gehören Downhill, Freiklettern, Big-Wave-Surfen, Eisklettern oder Base Jumping.

Doch was treibt Athlet*innen an, sich diesem Risiko zu stellen? „In der früheren Forschung wurde Risikosport auf eine Ebene mit Drogenkonsum oder Wettspielen gestellt. Mittlerweile wurde aber herausgefunden, dass es den Sportler*innen nicht per se um das Risiko, sondern um die Herausforderung geht“, so Anika Frühauf. Doch auch neben der Herausforderung und dem mentalen Spiel mit dem eigenen Kopf nennt Frühauf weitere Motive, die Risikosportler*innen antreiben – so etwa die Verbindung zur Natur, den sozialen Aspekt, das Fokussieren im Moment und die zahlreichen Emotionen, die im Alltäglichen nicht erlebt werden können. 

Risikosport und Sicherheitsmaßnahmen – ein Paradox?

Während so manch Außenstehender meinen könnte, es gehe beim Risikosport primär um die Suche nach Risiko und Adrenalin, so liegt hier ganz klar ein Irrglaube vor. Die Herausforderung stellt den größten Reiz am Risikosport dar – und diese sollte auch in einem so sicheren Rahmen wie möglich gestaltet werden. So werden Sicherheitsmaßnahmen, wie beispielsweise ein Lawinenrucksack oder Helm zu tragen, getroffen. Und auch der bekannte Freikletterer Alex Honnold bestreitet Felsen zuerst mehrmals – oft jahrelang – mit Seil und Gurt, bis er sich sicher genug für die Herausforderung ohne technischer Sicherung fühlt. „Wir sehen hier ein sehr bewusstes Verhalten von Sicherheitsmaßnahmen und Risikoeinnahme. Und je höher die Erfahrungen bei den Sportler*innen, je besser auch das Können, desto mehr objektive Risiken können sie auch eingehen“, erklärt Frühauf.

Die Gender Gap im Risikosport

Während Sport schon seit Jahrtausenden die Menschheit beschäftigt, so sind Frauen erst in den letzten 50 bis 60 Jahren im Leistungssport vertreten. Und so kommt es, dass Sport allgemein und besonders auch der Risikosport noch als eher männerlastige Domäne bestehen. 

Geschlechterspezifische Unterschiede, wie das Verhalten in der Gruppe oder die Unsicherheit, ob man bestimmte Tricks ausprobiere, sind dabei keine Seltenheit. Doch Frühauf sieht darin keine biologischen Ursachen, sondern vielmehr die Konsequenzen der Sozialisation. Stärke und Mut sind Attribute, die gesellschaftlich oft vor allem Männern zugeschrieben werden, was sich natürlich auch in der Sozialisation widerspiegelt. „Es gibt Untersuchungen im Kindesalter, bei denen herausgefunden wurde, dass Jungs eher zu risikoreichem Verhalten ermutigt werden und Mädchen eher abgehalten werden. Es fängt also wirklich schon im Kindergartenalter an, dass auf den Spielplätzen die Jungs ermutigt werden, auf das Gerüst zu klettern und den Mädchen von Vornherein ‚Lieber etwas vorsichtig sein und pass auf!’ geraten wird“, so Frühauf. 

Der Zugang zum Risikosport erweist sich für Mädchen und Frauen häufig als holprig und oft ist auch die Angst, Geschlechterrollen zu überschreiten, der Grund, mit der Sportausübung wieder aufzuhören. Nur langsam werden Stigmen aufgebrochen, damit eine Generation an Frauen weitere Frauen im Risikosport nach sich zieht. 

Zur Jugend von heute…

…gehören die potenziellen Stars im Risikosport von morgen. Denn „gerade im Jugendalter ist die Sehnsucht nach neuen Herausforderungen und der Wunsch nach eigenen Entscheidungen sehr ausgeprägt und hilft auch in der Entwicklung.“ Doch dabei ist die Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen fundamental, um eine Realisierung der tatsächlichen Gefahren zu erreichen. Meistens sind Jugendliche in Begleitung unterwegs, besonders bei ungesicherten Routen im Freeriden oder beim Downhill. Zu unserer Frage, ob es Restriktionen für Jugendliche im Risikosport geben soll, meint Frühauf: „Verbieten per se nicht, aber man kann die meisten Sportarten in einem sehr geringen Level von Umweltgefahren und externen Gefahren ausführen.“

Einschüchternd und doch so beeindruckend – der Risikosport zieht Zuschauer*innen sowie Sportler*innen in seinen Bann. Anika Frühauf hat uns einen Einblick ihre faszinierende Forschung gegeben: „Das Spannende bei dieser Forschung ist, wie der Risikosport oft ein Teil des Lebensinhaltes ist, da er sich doch sehr stark mit der Identität der Person vermischt.“

Filmtipp: “Free Solo” ist ein oscarpremierter Film, bei dem der Freikletterer Alex Honnold ohne jegliche Sicherung als erster Mensch El Capitan erklimmt. Adrenalinkick schon beim Zusehen garantiert!

Text Box: Filmtipp: “Free Solo” ist ein oscarpremierter Film, bei dem der Freikletterer Alex Honnold ohne jegliche Sicherung als erster Mensch El Capitan erklimmt. Adrenalinkick schon beim Zusehen garantiert!
Anika Frühauf, PhD, Institut für Sportwissenschaft

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