Mittwoch, April 24

Die Erleuchtung im Studium

von Margareta Scherr
Lesedauer: ca. 6 min

Was haben Licht und Stress bei Studierenden gemeinsam? Meistens sind es die beiden Dinge, die den Tag einleiten. Markus Canazei forscht als Psychologe an der Abteilung für klinische Psychologie an möglichen psychophysiologischen Auswirkungen von Licht auf den Menschen. In einer innovativen Studie beschäftigt er sich jüngst damit, wie Licht bei erhöhtem Stress von Studierenden wirken kann.  

Es ist bekannt, dass Licht uns Menschen nicht nur das Wahrnehmen von Objekten ermöglicht. In den letzten 30 Jahren haben Studien gezeigt, dass helles Licht am Morgen die Stimmung deutlich verbessern kann. Und zwar so gut, dass die sogenannte Lichttherapie heute zur Behandlung von saisonal-affektiven Depressionen, besser bekannt als Herbst- Winter Depressionen, breit eingesetzt wird, so Canazei.  

Licht hat auch einen großen Einfluss auf die innere Uhr, beziehungsweise das zirkadiane System unseres Körpers, welches uns ermöglicht, wichtige Ereignisse zu antizipieren und so frühzeitig physiologische Mechanismen zu starten, um diese Ereignisse effizient zu meistern- beispielweise die Verdauung von Nahrung oder den Schlafbeginn. Interessanterweise kann das zirkadiane System, das zentral über Gene gesteuert wird, über Umgebungslicht rasch und deutlich umgestellt werden. So kann eine Lichtexposition zu spezifischen Tageszeiten die Zeiger der inneren Uhr nach vorne oder hinten stellen. Ebenso wirkt sich ein Lichtmangel auf das zirkadiane System und in weiterer Folge auf unsere Stimmung, Leistungsfähigkeit und unser Verhalten aus. Viele Menschen merken dies in den Wintermonaten, wo das morgendliche Aufwachen und in Schwung kommen vielen schwerer fällt.   

Kommen wir aber nun zurück zum eigentlichen Thema: Licht und Stress. Im Rahmen einer Vorstudie1 konnte Markus Canazei bereits zeigen, dass helles Licht am Morgen vorteilhaft in der stationären Behandlung von Menschen, die unter starkem Burnout leiden, eingesetzt werden kann. So verbesserten sich im Vergleich zu einer Gruppe mit einer Standardbehandlung der Burnout-Symptome, einige Parameter des nächtlichen Schlafs und die Tagesmüdigkeit stärker durch zusätzliches morgendliches Licht.  

Möglicherweise hat damit Licht auch einen positiven Effekt auf Studierende, die unter weniger starken Stress-Symptomen leiden wie Burnout-Patientinnen, aber im Verlauf der Vorbereitung auf große Prüfungen doch deutlich erhöhtem Stress ausgesetzt sind? 

Diese Frage war Ausgangspunkt eines laufenden Forschungsprojekts von Markus Canazei, das im Mai 2020 startete. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts werden zwei Studien durchgeführt. 

In der ersten Studie, eine Feldstudie, wird klassische Lichttherapie bei 100 Studierenden aus den Fachrichtungen Medizin, Pharmazie und Jus, die sich auf große Prüfungen vorbereiten und dadurch unter erhöhtem Stress stehen, über drei Wochen eingesetzt. Die Probandinnen verwenden für die Lichttherapie eine speziell entwickelte, nebenwirkungsfreie Leuchte und setzen sich jeden Morgen nach dem Aufstehen eine Stunde dem hellen Licht aus (Abb. 1 und Abb. 2).  

Abbildung 1 

Abbildung 2  

Neben der Lichttherapie können die Studienteilnehmerinnen die Leuchte auch zum Lernen verwenden. Welches Lernlicht die Personen zu welcher Uhrzeit tatsächlich verwenden, wird direkt in der Leuchte ebenfalls aufgezeichnet.  Mögliche Lichtwirkungen werden mittels verschiedener Messmethoden erfasst. Die Studierenden werden während des dreiwöchigen Untersuchungszeitraums täglich via einer Smartphone App zu ihrem aktuellen Stressempfinden befragt. Um die Schlafqualität und die zirkadianen Aktivitätsrhythmus-Parameter zu erfassen, tragen die Studierenden ein Aktimeter um ihr Handgelenk. Daraus errechnen sich dann Parametern wie die Schlafdauer, der Schlafbeginn und die Anzahl nächtlichen Aufwachens. Die Veränderung des Cortisolspiegels wird über die Analyse einer Haarprobe unmittelbar vor Start der Studie und nach dem Untersuchungszeitraum erfasst. Zusätzlich wird untersucht, ob das Licht akut zu Veränderungen der Kognition führt. Hierzu wird regelmäßig ein computergestützter Test vor und nach der Lichtintervention von den Studienteilnehmerinnen durchgeführt. Gefördert wird die Studie von der FFG, der nationalen Förderagentur für die unternehmensnahe Forschung und Entwicklung in Österreich2

Die zweite Studie wird als Laborstudie mit einer anderen Lichtintervention (siehe Abb. 3 und 4) umgesetzt. Die zentrale Studienidee ist hierbei, Licht während des abendlichen und nächtlichen Lernens einzusetzen und zu messen, ob eine speziell ausgelegte Lichtexposition einen positiven Effekt auf das Lernen und den erlebten Stress entfalten kann.  

Der Konsum von Energy Drinks und Kaffee dient vielen Studierenden dazu, bis in die tiefe Nacht hinein zulernen. Nun haben Studien bereits zeigen können, dass Licht akut ähnlich aktivierend wirken kann wie der Konsum dieser Getränke. Daraus entwickelte Markus Canazei die zentrale Idee für die Laborstudie: Können Studierende unter einem speziellen Licht gut lernen, ohne jedoch in Gefahr zu laufen, dass sich Licht negativ auf den anschließenden Schlaf auswirkt? 

Die geplante Studie befindet sich gerade in der Vorstudienphase, innerhalb welcher eine nebenwirkungsfreie Lichtintervention gefunden werden soll, die das nächtliche Lernen unterstützt und sich nicht negativ auf den anschließenden Schlaf auswirken soll.  

In einer anschließenden Laborstudie sollen dann wiederum 100 Studierende während der Prüfungsvorbereitungszeit eingeschlossen werden, die eine Woche am Abend unter der in der Vorstudie gefundenen Lichtsituation lernen. Gleichzeitig lernt eine zweite Gruppe von Studierenden unter dem Licht einer üblichen Schreibtischlampe. Lichteffekte werden einerseits mittels Fragebögen erfasst. Außerdem kommen Leistungstests zum Einsatz, um eine möglicherweise verbesserte Lernleistung zu messen. Zusätzlich werden kardiovaskuläre Parameter (Herzratenvariabilitäts-Parameter) kontinuierlich erfasst, um die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems, ein Indikator für das physiologische Entspannungsniveau, während der Lichtexposition und dem anschließenden Schlaf festzustellen.      

„Ich bin schon sehr gespannt, welche Lichtwirkungen sich in der Feld- und Laborstudie erfassen lassen“, kommentiert Markus Canazei abschließend.   

Der rhythmische Wechsel von Licht und Dunkelheit begleitet uns rund um die Uhr. Er unterstützt Menschen bei alltäglichen Aufgaben wie dem Arbeiten und dem Schlafen. Möglicherweise auch zukünftig Studierende beim intensiven Lernen auf Prüfungen. 

Abbildung  3 

Abbildung 4  

Weiterführende Links:

  1. Canazei, M., Bassa, D., Jimenez, P., Papousek, I., Fink, A., Wess, E. (2019, Januar 27). Effects of an adjunctive, chronotype-based light therapy in hospitalized patients with severe burnout symptoms – a pilot study. Abgerufen am 11.04.2021 unter https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/07420528.2019.1604539?journalCode=icbi20  
  2. BLISS -Bright Light Interventions for Students Stress. Abgerufen am 11.04.2021 unter https://projekte.ffg.at/projekt/3757202 

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